Teil 10: Knusprige Hähnchen-Flügel

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Torsten Kluske

Vorm Rewe steht einmal die Woche ein Hähnchengrill. Das ist seit meiner Kindheit so, als der Laden noch miniMal hieß. Die Broiler, die damals wie heute stundenlang auf langen Spießen kirmesmäßig an der heißen Gasfläche vorbeikreiseln, zeichnen sich kulinarisch folgendermaßen aus: Die Brust ist furztrocken und faserig, die Keulen vor 12 Uhr noch genießbar, nähern sich nachmittags jedoch immer stärker den Keulen an. 

Aber wir Kinder haben die Vögel geliebt und bevor wir uns todesmutig dem Erstickungstod ins Auge blickend an Brust und Keule heranmachten, stritten wir um das Beste: die Flügel. 

Als erfahrene Minimal-Hähnchengrill-Experten wussten wir: Wenn man Chicken Wings nur lang genug grillt, sind die durch und durch so knusprig wie Chips und dann kann man sogar die Knochen und Knorpel mitessen.

Doch für das heutige Rezept möchte ich es nicht übertreiben. Es reicht schon, die Haut des Huhns möglichst knusprig und appetitlich braun zu bekommen, denn das ist schwer genug. Hier kommt eine Prise Wissenschaft ins Spiel:

Hühnerhaut besteht aus einem Kollagen-Gewebe mit eingelagertem Fett und Wasser. Wenn letzteres verdampft ist, wird die Haut knusprig.

Das Eiweiß, also das Kollagen der Haut, ist zudem recht fest und zäh. Es geht also beim Aufknuspern auch darum, durch viele feine Bläschen, die Oberfläche möglichst groß und dünn zu gestalten. Andernfalls gleicht die Haut einer krachharten Platte. Man kennt das von schlecht gemachtem, ledrigem Krustenbraten. 

Um die Hähnchenteile für ein möglichst zart-knuspriges Ergebnis vorzubereiten, muss also die Struktur der Haut gelockert und ein Teil des Wassers entfernt werden. Das geht erstaunlich gut, indem man eine basische Umgebung, also eine mit hohem pH-Wert schafft: durch Backpulver.

Backpulver enthält Natriumhydrogencarbonat, Stärke und Säure. Verteilt man diese Mischung mit etwas Salz auf der Hühnerhaut und lässt das Ganze über Nacht im Kühlschrank einwirken, passiert Folgendes: Die Base (Natron) lockert die Proteine der Haut, bis sie durch die Reaktion mit der Säure langsam auf der durch das Salz feuchten Oberfläche weitestgehend neutralisiert wird. Dazu bildet die enthaltene Stärke eine dünne Schicht, weil sie die Feuchtigkeit aufnimmt. Beim anschließenden Backen sorgt der immer noch leicht erhöhte pH-Wert schließlich dafür, dass die Maillard-, also Bräunungsreaktion beschleunigt wird.

In der Praxis gestaltet sich das Ganze folgendermaßen:

 

📖 Rezept

Rezept für knusprige Chicken Wings aus dem Backofen

  • 1 kg Hühnchenflügel
  • 10 g Backpulver
  • 10 g Salz

Die Hühnchenflügel am Gelenk zerteilen. Salz und Backpulver mischen und gleichmäßig dünn auf den Stücken verteilen. Das geht am besten mit folgender Methode:

Eine große, saubere Tüte mit den Hühnerteilen füllen, sodass diese locker darin Platz finden. Backpulver-Salz dazugeben, etwas Luft in die Tüte pusten und den Sack zumachen. Jetzt alles sorgfältig schütteln und voilá – alle Stücke sind von einer dünnen Schicht umhüllt.

Die Teile auf ein Gitterrost verteilen und im Backofen bei 230 °C Umluft auf mittlerer Schiene mit einem Backblech darunter ca. eine Stunde goldbraun backen. Nach 30 Minuten wenden. Für eine schnelle Beilage, legen Sie ein paar Kartoffelscheiben auf das Backblech. Diese nehmen das heruntertropfende Fett auf. Und das ist schließlich das Beste.

Wer eine echte oder eine Heißluftfritteuse hat, kann etwas Zeit sparen, wenn er die Hühnchenflügel vor der Backpulver-Prozedur 20 Minuten in leicht simmerndem Salzwasser vorkocht. So erhält man auch gleich noch eine leckere Brühe (siehe Bild rechts) und spart beim späteren Frittieren oder Backen etwas Zeit. Das Kochwasser sollte mit 10 g pro Liter leicht gesalzen werden, so verlieren das Fleisch nicht zu viel an Geschmack.

Anschließend die Stücke aus dem Wasser nehmen, etwas abkühlen lassen und gut abtupfen.

In heißem Frittierfett für ca. 15 Minuten bei ca. 180-200 °C garen. Es geht dann nur um die Farbe, denn das Fleisch ist ja schon gegart.

Buffalo Chicken Wings

Der zugegebenermaßen nicht gerade üppige Fleischanteil der Flügelchen brachte Teressa Bellisimo, die „Chicken Wing Lady“, übrigens vor ziemlich genau 60 Jahren in Ihrer Anchor Bar in Buffalo im US-Bundesstaat New York auf eine grandiose Idee:

Sie übergoss die knusprigen Flügel mit einer scharf-sauren Buttersauce. So wurde der mickrige Flügel zum Geschmack- und Kalorienträger. Später gesellten sich noch Sellerie-Sticks und ein Blue-Cheese-Dip dazu. Letzteres habe ich schon auf meinem Instagram-Kanal gezeigt.

Für die Buffalo-Sauce erhitzt man einfach 50 g Butter mit 50 ml Sriracha und schmeckt das Ganze mit einem Schuss Apfelessig ab. Das Originalrezept wird mit Frank´s Red Hot Sauce zubereitet, diese besteht aus Cayennepfeffer, Branntweinessig, Knoblauchpulver und Salz. Eine Mischung der Sriracha geschmacklich recht nahe kommt. Und im Gegensatz zum Original findet man diese in jedem Supermarkt

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