Sieht man Rot oder erlebt man sein blaues Wunder?
Blaukraut bleibt Blaukraut. Doch das gilt nur, wenn keine Säure im Spiel ist. Ansonsten sieht man schnell Rot. Das liegt an bestimmten Pflanzenfarbstoffen, den Anthocyanen. Die sind in allen rot-blauen Pflanzen beziehungsweise deren Früchten enthalten. Und sie sind der Grund für den sprachlichen Wirrwarr, den der Kohl im Norden und Süden der Republik ausgelöst hat.
Schon im Mittelalter wurde der Rotkohl kultiviert. Hildegard von Bingen erwähnte den „rubeae caules“, also den roten Stängel, erstmals schriftlich. Ob er zu ihrer Zeit wirklich rot war, ist eher unwahrscheinlich, da dies schon sehr saure Böden oder Zubereitungen erfordert hätte. Knallrot ist der Kohl erst bei einem ph-Wert um die 3 und so sauerlustig war das Mittelalter dann doch nicht. Trotzdem kann ein Schuss Säure helfen, das gerade beim gekochten Kohl immer leicht schwefeligen Hautgout zu übertünchen.
Doch ohne Säure ist der Kohl vielmehr lila oder violett, und der Grund, dass er bis heute nicht entsprechend „Lila- oder Violettkohl“ genannt wird, kann daran liegen, dass beide Wörter erst viel später ins Deutsche verpflanzt wurden. Sie wurden den französischen Begriffen für Flieder und Veilchen entlehnt. Wer sich nun fragt, ob nicht Purpurkohl eine Alternative gewesen wäre, den muss ich enttäuschen: Auch wenn dies schon früh die Farbe der Mächtigen war, tauchte der Begriff erst im 15. Jahrhundert auf. Außerdem hätten Päpste und Könige sicherlich heftig protestiert, wenn das winterliche Grundnahrungsmittel der Armen den Farbnamen ihrer prächtigen Gewänder getragen hätte. Wo kommen wir denn dahin?
Die Tendenz zum Blau bekommt der Kohl bei hohen pH-Werten. Allerdings sind selbst Böden im Süden Deutschlands nicht so alkalisch, dass einen auf den Kohlfeldern ein strahlendes Ultramarin anlachen würde. Vielleicht ist die Bezeichnung „Blaukraut“, die das Gemüse in Bayern oder Franken trägt, der Zubereitung geschuldet. Man findet immer wieder klassische, regionale Rezepte, bei denen der Kohl mit etwas Natron im Kochwasser gegart wird. Wer hier übertreibt, erlebt sein blaues Wunder, aber bei vorsichtiger Dosis hilft das basische Kochwasser, dass feste Pflanzenteile schneller aufgeschlossen werden. Oder anders gesagt: Das Gemüse wird schneller weich und benötigt somit kürzere Kochzeiten. Man sollte jedoch aufpassen und es mit der Natron-Zugabe nicht übertreiben, sonst landet man zumindest farblich beim Grünkohl. Ein halber Teelöffel Natron pro Kilogramm Kohl reicht als Zartmacher völlig aus.
Beim heutigen lauwarmen Rotkohlsalat, der übrigens Teil meines diesjährigen Weihnachtsmenüs ist, wird der dünn geschnittene Kohl zunächst mit Salz und Zucker geknetet und dadurch ziemlich verweichlicht. Den nötigen Biss, den ein Salat doch haben sollte und die rote Farbe bewahrt dann etwas Essig, der in diesem Fall in der Teriyakisauce versteckt ist.
📖 Rezept
Lauwarmer Rotkohlsalat Für 2-3 Portionen
- 1/4 kl. Rotkohl (ca. 200 g)
- 1/2 gestrichener TL Salz (2 g)
- 1 TL gestrichener Zucker (4 g)
- 1 Zwiebel
- 100 ml Glühwein
- 70 ml Teriyakisauce*
- 50 ml dunkler Balsamico
- 50 ml Rapsöl
- 1/2 TL Stärke in 50 ml kaltem Wasser
- Salz und Pfeffer zum Abchmecken
Den Rotkohl von äußeren Blättern und Strunk befreien und fein hobeln. In eine Schüssel geben, mit Salz und Zucker bestreuen und gut durchkneten. Mindestens 15 Minuten, am besten über Nacht marinieren lassen. Die Zwiebel abziehen, von der Wurzel befreien, halbieren und in feine Streifen schneiden. Die Zwiebel-Streifen im Rapsöl anschwitzen. Mit Glühwein ablöschen und diesen auf etwa 1/3 reduzieren. Teriyakisauce und den ausgetretenen Kohlsaft zufügen und die glattgerührte Stärke nach und nach in die kochende Sauce geben, bis diese leicht dickflüssig bindet. Die noch heiße Sauce über den Rotkohl gießen und alles gut vermischen. Nach 15 min. noch einmal mit Salz und Pfeffer abschmecken.
Für die Teriyakisauce:
200 ml Sojasauce 100 ml Branntwein-Essig (5%) 1/2 TL Stärke 30 g Zucker
Alle Zutaten in einem Topf mischen und aufkochen, bis die Sauce leicht bindet.