Mohnplattl - mit oberschlesischem Eigensinn.
Immer kurz vor Weihnachten ging der Sägemehl-Vorrat für die Räucherkammer der Fleischerei meiner Eltern zur Neige. Also lieh sich mein Vater am Sonntagmorgen einen Pferdeanhänger, groß genug für zwei Tiere, und wir fuhren Richtung Hildesheim zum Sägewerk. Dort angekommen, entfernten wir die Plane des Vieh-Transporters und durch ein dickes Rohr wurde das Sägemehl hineingepumpt. Viel Sägemehl.
Als sich ein kleiner Hügel auf dem vollen Anhänger bildete, rief mein Vater: „Da geht noch was! “ Er zog die Kapuze seines Metzgerkittels über und sprang wie ein junges Reh auf den Späneberg. Zwischendurch warf er mir einen Blick zu,der sagte: „Sieh zu, Sohn! Und lerne!“
Mit seinem Kampfgewicht von damals gut 120 kg klappte das stampfende Verdichten ganz hervorragend. Als er elegant und voller Späne aus dem Wagen hüpfte, fragte ich ihn, ob vor seiner Aktion zwischen den Reifen des Hängers und dem darüber liegenden Schutzblech auch schon kein Zwischenraum war. Er ließ sich jedoch nicht beirren und erklärte, wir könnten ja etwas langsamer zurückfahren.
Auf spiegelglatten Nebenstraßen schlichen wir also mit schleifenden Reifen Richtung Heimat. Nach einiger Zeit reihte sich in die Karawane, deren Spitze wir bildeten, ein Streifenwagen ein, der uns natürlich irgendwann überholte und anhielt. Zwei Polizisten stiegen aus und überprüften unsere Papiere. Nach Rücksprache mit der Zentrale, die den Besitzer des Hängers kontaktierte, wurde ihnen bestätigt, dass man mit dem geliehenen Pferdehänger auch Sägemehl transportieren dürfe.
Wahrscheinlich wären die Beamten nicht im Traum darauf gekommen, dass man mit der richtigen Stopftechnik locker zwei Tonnen Holzmehl in so einem Hänger unterbekommt. Ohne das Gesamtgewicht zu überprüfen, ließen Sie uns ziehen und wir eierten langsam nach Hause. Mein Vater hatte während der restlichen Fahrt ein glückseliges Lächeln im Gesicht. Jetzt konnte Weihnachten kommen.
Einen gewissen oberschlesischen Eigensinn gibt es in unserer Familie übrigens auch beim heutigen Weihnachts-Dessert. Wir nennen es „Mohnplattl“. Als ich meinen Vater fragte, warum das Gericht bei uns nicht wie überall „Mohnkließla“ hieße, sagte er nur: „Weil es keine Klöße sind.“
Genau genommen hat er da sogar recht, denn bei dieser schlesischen Süßspeise werden alte, mit Mohnmilch getränkte Brötchenscheiben in einer Glasschale geschichtet.
So kann ich meine Version auch gleich meinen Vorlieben entsprechend anpassen, denn auch ich habe ein wenig schlesischen Eigensinn geerbt. Gemischt mit etwas ostwestfälischem Perfektionismus, der eine Glasschale voll undefiniertem Brei nicht unbedingt als Gipfel des modernen Food-Stylings durchgehen lässt.
Damit alles schön aussieht, benötigen Sie für vier Portionen ebenso viele Servierringe mit ca. 6-7 cm Durchmesser und folgende Zutaten:
📖 Rezept
Mohnplattl
Für 4 Portionen
- 12 Scheiben frische Brioche (oder Sandwichtoast)
- 200 g backfertige Mohnzubereitung
- 200 g Joghurt (10 % Fett)
- 300 ml Milch
- 2 Orangen
- 60 g angeröstete Mandelblättchen
Mit dem Servierring aus dem Brot Kreise ausstechen. 50 g Mohnzubereitung mit Joghurt glatt rühren. Die Toastkreise auf einer Seite mit der restlichen Mohnzubereitung bestreichen. Je 1 Scheibe mit der Mohnseite nach oben in jeden Servierring legen und 2 EL Milch aufträufeln, sodass das Brot gerade vollgesogen ist. Den Vorgang jeweils mit 2 weiteren Brotkreisen und der Milch wiederholen.
Den Mohnjoghurt auf 2 Tellern verstreichen. Je einen Servierring mit den gefüllten Toastbrotscheiben mittig auf den Joghurt setzen und den Ring vorsichtig abziehen. Die Mohnplattl mit Orangenfilets und Mandeln garniert anrichten.
Fertig sind ganz eigensinnige Mohnplattl. Frohe Weihnachten!