Teil 38: Frikassée oder Blanquette?

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Torsten Kluske

Hühnerfrikassée – so haben wir das immer schon gemacht!

Sollten Sie nach dem Grund einer bestimmten Zubereitung fragen, gilt oft die erste Küchenregel: „Das haben wir schon immer so gemacht!“. Das Problem bei der Sache ist, dass man den Ursprung nur selten findet. Ohne schriftliche Notizenist die Weitergabe von Rezepten ein munteres „Stille-Post-Spielchen“. Und selbst die Aufzeichnung hilft oft nicht weiter: Im Knödelrezept, das meine Frau mit in die Familie gebracht hat, steht: „Man nehme so viel Mehl, wie es braucht“.

Ganz anders ging da der französische Koch Georges Auguste Escoffier (1846-1935) vor, der 1903 eine Sammlung mit5000 Rezepten veröffentlichte: den „Kochkunstführer„. Natürlich gibt es auch in seinen Schriften einen gewissen Interpretationsspielraum, doch zumindest an ein Grundgerüst aus Zutaten, Mengen und Verarbeitungsschritten kann man sich halten.

Erwähnt wird in seinem Mammutwerk auch ein Ragout mit Hühnchen oder Kalbfleisch. Und je nach Vorgehensweise ist es entweder ein „Frikassee“ oder „Blanquette“. Die Unterscheidung ist jedoch etwas knifflig:

Für ein Blanquette köchelt das Fleisch in größeren Stücken in einem Fond. Anschließend wird es pariert und portioniert. Und erst dann mischt man es mit einer Sauce, die extra zubereitet wird.

Im Gegensatz dazu wird für ein Frikassee das rohe Fleisch zuerst zerkleinert, mit Mehl bestäubt, hell angeschwitzt und anschließend unter Zugabe von Brühe gegart. Die Sauce entsteht dann zeitgleich, zusammen mit dem Fleisch. So ähnlich wie bei einem Gulasch.

Auf dem Teller lässt sich das alles nur schwer voneinander unterscheiden, denn kurz vor dem Servieren werden sowohl die Sauce des Blanquettes, als auch die der Frikassees mit einer Liaison, also einer Mischung aus Ei und Sahne finalisiert und leicht gebunden.

Genau genommen ist also das heute geläufige Hühnerfrikassée im damaligen Sinne vielmehr ein Blanquette. Zumindest so, wie wir es bei uns zuhause zubereiten: Der Fond, den man für die Sauce benötigt, kocht sich zwar mit dem Fleisch, doch erst, sobald das Hühnchenfleisch gar ist, wird es zerzupft. Aus dem Kochsud wird die Sauce zubereitet und schließlich das Fleisch untergemischt.

Ich nutze für das Garen übrigens einen Schnellkochtopf, da sich dann die Garzeit für Hähnchenkeulen auf weniger als eine halbe Stunde verkürzt. Wer geschickt plant, gart Fleisch und Brühe schon am Vortag und lässt alles abkühlen. Am nächsten Tag kann man dann ganz entspannt die Sauce zubereiten und darin das von den Knochen gezupfte Fleisch erwärmen.

Fehlt nur noch die klassische Garnitur, also Einlage für das Frikassée: Die besteht bei Escoffier aus gekochten Champignons und Silberzwiebeln. Bei uns kommen noch Erbsen (siehe Bild) dazu, dafür lasse ich die Silberzwiebeln weg. Warum? Das haben wir schon immer so gemacht. Außerdem nervt das friemelige Schälen der kleinen Kugeln.

📖 Rezept

Für 4 Personen:

  • 4 Bio-Hähnchenkeulen
  • 400 g Champignons
  • 100 g TK-Erbsen
  • 40 g Mehl
  • 40 g Butter
  • 1 Zitrone
  • 1 Eigelb
  • 50 ml Sahne
  • 1 kleines Bund Petersilie
  • Salz und Pfeffer zum Abschmecken

Die Champignons putzen, von trockenen Stielen befreien, vierteln und in einen Schnellkochtopf geben. Die Hähnchenkeulen auf die Pilze legen. Ich verwende keine Hähnchenbrust, da diese zu trocken wird. Alles mit Wasser bedecken (2 Liter) und einen Teelöffel Salz (10 g) zufügen. Mit verschlossenem Deckel bei hoher Hitze Druck aufbauenlassen und dann bei kleiner Hitze 20 Minuten garen. Das Kochfeld abschalten und warten, bis sich der Druck abgebaut hat. Alternativ in einem Topf mit Deckel 60 Minuten sanft köcheln lassen.

Den Deckel öffnen und die Hähnchenkeulen herausnehmen. Haut und Knochen entfernen und das Fleisch mundgerechtzerteilen. Die restliche Brühe durch ein Sieb gießen und entfetten. Die Champignons beiseitelegen.

In einem Topf Mehl und Butter bei geringer Hitze ca. 5 Minuten anschwitzen. Mit einem Schneebesen kräftig rühren und nach und nach bis zur gewünschten Konsistenz ca. 500 ml Brühe zufügen. Die Sauce kurz aufkochen und anschließend nur noch bei mäßiger Hitze warmhalten. Das Fleisch, die Erbsen und Champignons zufügen. Die Sahne mit dem Eigelb verquirlen und damit die Sauce binden. Die Sauce sollte schön sämig, aber nicht zu dick sein. Mit fein geschnittener Petersilie bestreut auf Langkornreis servieren.

Wir essen niemals Kartoffeln oder Nudeln zum Hühnerfrikassee, denn es gibt noch eine zweite wichtige Küchenregel: „Das haben wir noch nie so gemacht.“

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