Wie bleibt das Grün so grün?
Der Kauf einer perfekt gereiften Avocado ist eine Herausforderung: Den beiden am häufigsten angebotenen Sorten „Hass“ und „Fuerte“, ist der Reifegrad auf den ersten Blick nicht anzusehen. Eine vorsichtige Druckprobe gibt nur rudimentäre Informationen über den Zustand des Fruchtfleisches *. Es lässt sich zwar feststellen, ob dieses noch steinhart oder bereits überreif ist, alle Zwischenstufen sind jedoch nur schwer zu ertasten. Zumal Sie sich auch den Ärger des Supermarktpersonals oder Mitmenschen einhandeln werden, sofern Sie den gesamten Karton mit Früchten beackern. So gesehen ist das Leben nicht wie eine Schachtel Pralinen, sondern wie eine Avocado: Man weiß augenscheinlich nie, was man kriegt.
Zunächst gelangen Avocados meist noch unreif in den Handel. Im Regal entwickeln sich die Beeren, zu denen die Früchte der Lorbeergewächse zählen, dann weiter. Der Zeitraum, in dem eine Avocado perfekt weich, voller Geschmack und zudem appetitlich grün im Inneren ist, beschränkt sich auf wenige Tage. Wie alle klimakterischen Früchte, dünsten auch Avocados ein Gas aus, das umliegende Exemplare schneller reifen lässt. Das hat die Natur so eingerichtet, damit an einem Baum möglichst viele Früchte zur gleichen Zeit reif sind und somit möglichst viele Tiere anlocken.
Wer vorsichtshalber oder versehentlich sehr feste Avocados gekauft hat, legt diese am besten zusammen mit einer überreifen Banane in einer verschlossenen Papiertüte für ein bis zwei Tage auf die Fensterbank. Das aus der Frucht ausströmende Phytohormon Ethylen lässt dann die Avocados schneller nachreifen. Ein Apfel oder eine Kiwi, beides ebenfalls klimakterisch, funktionieren auf gleiche Weise*.
Ist die Avocado weich genug, gilt es, sie schnell zu verarbeiten. Denn das nun knallgrüne Fruchtfleisch im Inneren wird durch weitere Reifungsprozesse schnell von dunklen Fasern durchzogen. An diesen Stellen ist die Enzymaktivität zu hoch, was auf kleine Verletzungen während der Lagerung oder auf Stress während des Wachstums zurückzuführen ist. Um eine unerwünschte Nachreife zu vermeiden, sollten weiche Avocados daher bis zum Verzehr im Kühlschrank aufbewahrt werden. So lässt sich der drohende Verderb etwas hinauszögern. Bei Kälte arbeiten die Enzyme langsamer.
Für eine leckere Guacamole braucht man eigentlich nur drei Zutaten. Avocados, Salz und Limetten. In einem Guacamole-Rezeptvideo habe ich die Limette durch eine Zitrone ersetzt. Der Aufschrei war groß. Dasselbe gilt für Knoblauch und Koriander, die ich dazugegeben habe. Darf er so?
📖 Rezept
Abgesehen von den Zutaten, ist die Zubereitung leicht:
Die Avocados halbieren, den Kern entfernen, das Fruchtfleisch mit einem Löffel aus der Schale heben und in eine Schüssel füllen. Die Limette (oder Zitrone) halbieren, den Saft über die Avocado pressen und alles mit einer Gabel zu einem nicht zu feinen Mus zerdrücken. Mit Salz abschmecken.
Ab dann ist erlaubt, was einem schmeckt: Tomatenwürfel, Koriander, Chili, Knoblauch und Zwiebeln. Wer will, gibt Joghurt dazu.
Die fertige Guacamole sollte dann nicht zu lange stehen. Die erwähnte enzymatische Bräunungsreaktion beschleunigt sich, sobald das Fruchtfleisch Kontakt mit Sauerstoff hat. Es hilft, eine schon halbierte Avocado mit einem in Zitronensaft getränkten Küchenpapier oder ein fertiges Mus möglichst luftdicht mit Klarsichtfolie abzudecken.
Ein mittig platzierter Avocado-Kern bringt dagegen nichts. Man könnte stattdessen auch einen Golfball in die Mitte legen. Das ergibt genauso wenig Sinn wie der Kern, sorgt aber für Gesprächsstoff auf langweiligen Partys.
Noch eine kleine Geschichte zum Schluss: Aus Avocados, Rum und Zucker wurde einst in Südamerika ein Getränk hergestellt. Davon inspiriert, verwendete Eugen Verpoorten mangels verfügbarer Früchte in Europa stattdessen Eigelb. Daher gibt es bis heute den Begriff „Advocaat“ für eine bestimmte Sorte Eierlikör.
Supermärkte hassen diesen Trick: Wer sofort eine reife Avocado benötigt und keine Zeit zum Nachreifen hat, kann im Supermarkt – wenn keiner guckt — den Stielansatz-Trick anwenden: fühlt sich die Avocado weich an, entfernt man den Stummel, sofern er noch an der Avocado hängt und der Trick nicht schon vorher angewendet wurde: Ist es darunter grün, ist die Avocado perfekt. Ist es darunter grünbraun oder braun, ist das Fruchtfleisch schon von dunklen Stellen durchzogen.