61: Verjus

In unserer romantisch verklärten Vorstellung saßen wir an lauen Sommerabenden in malerischem Ambiente unter einem Rebstock voller Trauben.

Ein Beitrag von Torsten Kluske

Wenn die Terrasse mit Weinrebe zum Partytreff wird.

In unserer romantisch verklärten Vorstellung saßen wir an lauen Sommerabenden in malerischem Ambiente unter einem Rebstock voller Trauben. Ein Gläschen Weißwein in der einen Hand pflückten wir mit der anderen das ein oder andere Früchtchen und ließen es uns schmecken. Ein Bild unserer weinberankten Terrasse wäre die ideale Vorlage für eines dieser kitschigen KI-Puzzles. So weit zur Theorie.

Die Realität sah schnell ganz anders aus. Schon beim Kauf des Rebstock griffen wir gehörig daneben, denn uns war der Unterschied zwischen Tafel- und Kellertrauben noch nicht bekannt. Jetzt sind wir schlauer: Letztere sind kleinbeerig, kernreich und dickhäutig – für den direkten Verzehr eher unangenehme Eigenschaften. Genau die kauften und pflanzten wir ein.

Und der Rebstock legte ordentlich los. Schon im 2. Jahr war er übervoll mit Früchten.

Die unangenehmen Eigenschaften der Kellertrauben gelten übrigens nicht für Vögel. Die lieben die Kügelchen. So wurden einige diebische Amseln mit zunehmendem Reifegrad der Früchte immer dreister. Hitchcock hätte seine wahre Freude daran gehabt. Wir hatten mit dem Rebstock ein wahres Paradies geschaffen. Leider wurden wir daraus vertrieben, denn die Kombination aus Amseln und Wespen nervte extrem:

Trat man auf die Terrasse hinaus, gab es ein unglaubliches Geflatter der aufgescheuchten Vögel, die gemütlich im dichten Blätterwerk saßen, Früchte fraßen und diese direkt auf unsere Holzterrasse ausschieden. Dazu gefühlte hundert Wespen. Auch unter denen sprach sich unser Garten als DER Partytreff herum.

Um dem nervigen Treiben ein Ende zu bereiten, pflückten wir im Folgejahr die noch unreifen, extrem sauren Trauben. Und da die Früchte schon eine gewisse Größe hatten, probierten wir etwas aus: Auch die grünen Früchte sind kulinarisch interessant. Schon im Mittelalter wurden sie gekeltert und unter dem Namen „Verjus“ als Alternative zu Essig oder Zitronensaft genutzt.

Zum Auspressen der festen, kleinen Trauben eignet sich die Flotte Lotte oder eine andere Passiermühle bestens. So werden bittere Kerne und Schalen entfernt. Den gewonnenen Saft entweder zeitnah frisch verwenden oder aufkochen und durch einen Trichter mit Kaffeefilter in eine sterile, verschließbare Flasche füllen. So hält er sich ein paar Wochen.

Und es herrscht endlich Ruhe auf der Terrasse.

Rezept

Rezept für eine milde Verjus-Vinaigrette:

Ein sauberes Glas mit passendem Deckel auf eine Küchenwaage stellen und folgende Zutaten hineinfüllen:

  • 50 ml Verjus
  • 5 g Salz
  • 10 g Senf
  • 15 ml Ahornsirup
  • 100 ml Rapsöl

Mit dem Deckel verschrauben und kräftig schütteln, bis das Dressing leicht emulgiert ist. Bis zur Verwendung im Kühlschrank aufbewahren. Die Vinaigrette kann man beispielsweise als Salat-Dressing, Würze für Mozzarella mit Tomaten oder als schnelle Sauce für Grillgut verwenden.

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