Teil 13: Wischiwaschi Brotsalat

Picture of Torsten Kluske

Torsten Kluske

Will man ein klassisches Gericht zubereiten, kann man machen, was man will – man macht es sowieso falsch. Je bekannter die Speise, desto größer der potenzielle kulinarische Fettnapf. Vergeht man sich an Klassikern aus anderen Kulturkreisen, wird man im besten Fall nur belächelt: „Er weiß es eben nicht besser“. Wer dagegen die Grenzen der Spezialitäten des eigenen Kulturkreises überschreitet, muss Sorge haben, mit Schimpf und Schande aus dem Land gejagt zu werden. Und ich rede nicht von dramatischen Änderungen: Schlagen Sie einfach mal einer schwäbischen Oma vor, die Kartoffeln für den Salat VOR dem Garen in Scheiben zu schneiden.

Nun könnte man ganz unbedarft sagen: „Bereite die Speise doch einfach so zu, wie das schon immer gemacht wurde“. Aber wie? Es war ja nur in den seltensten Fällen jemand bei der ersten Zubereitung dabei und hat mitgeschrieben. Meist ist trotz akribischer Recherche vieles wischiwaschi. Zumal im Laufe der Zeit jede Familie ihr eigenes Rezept entwickelt. Ich erinnere mich beispielsweise noch an die entsetzten Blicke, als ich bei der Zubereitung einer klassischen Roulade ein Frankfurter Würstchen in das Fleisch eingerollt habe. Gleichgroß war übrigens meine Bestürzung, als mir das erste Mal außerhalb meines Familienkreises jemand sagte, dass da gar keine Wurst hineingehört.

Seitdem halte ich es mit Rezepten folgendermaßen: Wenn ich mich mit einer Zubereitung beschäftige, geht es mir in erster Linie darum, die Idee dahinter zu verstehen. Spezielle Zutaten sind für mich nur dann entscheidend, wenn sie das Ergebnis beeinflussen und unter uns gesagt: Ob mir ein Ragu alla bolognese nun mit Spaghetti (ganz falsch) oder Tagliatelle (richtig) serviert wird, ist mir egal.

Nehmen wir einen Brotsalat, in Italien „Panzanella“ genannt. Die Grundidee der Speise ist es, altes und vor allem hartes Brot in Wasser einzuweichen und dadurch noch einigermaßen genießbar zu machen. Da ist es natürlich illusorisch zu glauben, man würde selbst mit intensivster Erkundung den Ursprung dieser Zubereitung finden. Mit großer Wahrscheinlichkeit noch nicht einmal in der Toscana, obwohl gerade diese Region als Wiege des Brotsalats gilt. Da hilft es auch nicht weiter, dass ein ähnliches Gericht schon bei Giovanni Boccaccio auftaucht. Der italienische Schriftsteller lebte im 14. Jahrhundert unter anderem in Florenz. Sein bekanntestes Werk, das „Decamerone“, ist eine Sammlung von 100 Novellen und in Erzählung Nr. 7 wird ein Teller mit „gewaschenem Brot“ erwähnt. Dieses „Pan lavato“ trägt die Zubereitung schon im Namen: Das Brot wird so lange in Wasser eingelegt bis es völlig aufgeweicht ist, anschließend ausgerückt. Abgesehen vom anschließenden mundgerechten Zerzupfen, erinnert das Ganze schon an das Wäschewaschen zu dieser Zeit. Die weiteren Zutaten spielen nur noch eine untergeordnete Rolle. Es liegt nahe, dass einfach das, was gerade im Garten wuchs, dazugegeben wurde. Tomaten waren sicher nicht im Salat, denn die kamen erst ca. 200 Jahre später nach Europa.

Im heute bekannten Name „Panzanella“ liegt dagegen kein Hinweis auf die Zubereitung verborgen: Abgesehen von „Pan“, das eindeutig auf die Hauptzutat „Brot“ hindeutet, gibt „Zanella“ schon Rätsel auf: „Panzana“, kann man mit „Betrug“ oder „Fabel“ übersetzen. Mit viel Fantasie lässt sich daraus zusammenreimen, dass der Hunger der armen Leute mit dem eingeweichten Brot „überlistet“ werden sollte. Eine etwas realistischere Deutung liefert eine weitere Übersetzung des Wortes „Zanella“: Neben einer Suppenschüssel, als offensichtlichem Serviergefäß für den Salat, wird auch ein ovaler Korb aus geflochtenen, breiten Holzstreifen damit bezeichnet. Vielleicht wurde darin das eingeweichte Brot ausgedrückt. Man weiß es nicht. Was bleibt, ist die Erkenntnis: Wenn nicht einmal der Name eindeutig auf einen bestimmten Ursprung zurückzuführen ist, wie soll es bei der Rezeptur gelingen?

Um den Fett- oder besser Olivenölnapf so klein wie möglich zu halten, folgt nun das offizielle Panzanella-Rezept der Accademia della Cucina für Panzanella all’uso di Firenze. Wenn es auch in anderen Regionen andere „offizielle“ Versionen gibt.

📖 Rezept

Für 4 Portionen:

  • 400 g altbackenes, hausgemachtes Brot
  • 3 nicht zu reife Tomaten
  • 2 rote Zwiebeln
  • 1 Salatgurke (optional)
  • 1 Strauß Basilikum
  • Natives Olivenöl extra
  • Weinessig
  • Salz und Pfeffer

Das Brot in Scheiben schneiden und in kaltem Wasser einweichen. Wenn es gut eingeweicht ist, mit den Händen gut ausdrücken und in „trockene Krümel“ zerkleinern. Die Brotstückchen in eine Suppenterrine geben und die gewürfelten Tomaten, die in Scheiben geschnittenen Zwiebeln und die Basilikumblätter hinzufügen. Falls gewünscht auch die Zwiebeln. Nur mit Öl würzen und kühl stellen. Vor dem Servieren mit Salz und Pfeffer abschmecken und einen Spritzer Essig hinzufügen.

Meine persönlichen Anpassungen:

Auch wenn der Name es hergibt: Es muss keine Suppenterrine sein, eine einfache Schüssel reicht völlig aus. Wenn das Brot nicht zu alt ist (vom Vortag), kann man es auch einfach mundgerecht würfeln und in etwas Olivenöl anbraten. Dann wird es außen knusprig und innen wieder weicher. Die fein geschnittenen roten Zwiebeln für ein paar Minuten in einer Mischung aus 50 ml Rotwein-Essig und je ½ TL Salz und Zucker einlegen. So werden sie milder und es entsteht ein schöner Würzsud für den Salat. Nach etwa 10 Minuten alles unter die restlichen Zutaten mischen.

Mit diesen Änderungen wird das vermeintliche Original zwar etwas verwässert, doch was ist schon „Original“. Außerdem gehört ein bisschen Wischiwaschi eben doch immer dazu.

Küchenwissen mit

BESSERBISSEN

Die kostenlose kulinarische Kolumne. Über 3.500 Leser erhalten sie jeden Samstag pünktlich zum Frühstück. Sei auch du dabei und verpasse nichts.

Mit dem Absenden des Formulars stimmst du den Datenschutzerklärungen zu. Du erhältst außer der Kolumne keine weiteren Mails.

Neue Videos jeden 2. Sonntag um 10 Uhr

Küchenwissen mit

BESSERBISSEN

Die kostenlose kulinarische Kolumne. Über 3.500 Leser erhalten sie jeden Samstag pünktlich zum Frühstück. Sei auch du dabei und verpasse nichts.

Mit dem Absenden des Formulars stimmst du den Datenschutzerklärungen zu. Du erhältst außer der Kolumne keine weiteren Mails.

Weitere Artikel

Mein Neues Kochbuch

Erstes Kapitel Gratis

Jetzt zu meiner kostenlosen Online Kolumne anmelden und das erste Kapitel erhalten